Ein Portrait der Buchhandlung Labyrinth in der Basler Altstadt
„Ja, es gibt noch Buchhandlungen – aber das Internet ist keine Buchhandlung […]. Eine richtige Buchhandlung ist ein Ort zum Verweilen, und mit Buchhändlern, die zu ihren Büchern einen persönlichen Bezug haben, die die Bücher, die sie hier haben, auch lieben. Ich muss die Bücher sehen und in die Hand nehmen können, wenn ich sie kaufe.
Ja, es gibt noch Buchhandlungen, aber sie sind selten geworden. Eine der wenigen, die ich kenne, ist die Buchhandlung Labyrinth in Basel. Hier kann ich Bücher finden, von denen ich vorher gar nicht wusste. Leider bin ich selbst selten in Basel. So bleibt mir nur übrig, die Basler darum zu bitten, zum Labyrinth Sorge zu tragen. Nur solange sie hingehen, wird es sie geben.“ (Peter Bichsel)

Es ist schon viel über das Verschwinden der Bücher und des Kleinhandels geschrieben und gesprochen worden. Klar, es ist traurig und es liegt an uns, wie wir unsere (Kauf-) Entscheidungen treffen.
Ich möchte heute einfach einen Buchladen vorstellen, wo ich gern bin und immer neue Entdeckungen mache – der einfach eben nur existieren kann, wenn wir Basler dort Bücher kaufen und bestellen.
Das Labyrinth befindet sich im Haus zur Alten Treu (Nadelberg 17), das Mitte des 14. Jahrhunderts erbaut wurde und in welchem später Erasmus von Rotterdam wohnte.
Es ist eine in ihrer Art vom Aussterben bedrohte Spezies: beschaulich und ruhig, aber reichhaltig, und ich finde tatsächlich nur Bücher (nicht Tische voller Kerzen, Tee, Räucherstäbchen und sonstigem Krimskrams wie in grossen Buchläden). Bei Kaffee oder Tee kann ich im hinteren Teil alle Bücher in Ruhe auf dem Tisch ausbreiten: von seltener Lyrik über Philosophie bis hin zu Belletristik jenseits der Mainstream-Titel.
Hier sitze ich nun und unterhalte mich mit Matthias Staub, einem der beiden Geschäftsleiter, über die Entstehung, Bedeutung und den Kampfgeist dieses tapferen, kleinen Buchladens.
GI: Was ist das Besondere an Labyrinth?
MS: Die Ausrichtung Geisteswissenschaften, ganz klar. Das Narrenschiff war zwar ähnlich ausgerichtet, aber wir haben wirklich Abteilungen hier analog zu den Departementen der Uni. Da haben wir von Anfang an dran festgehalten, wollen es weiterhin tun und werden daran wahrscheinlich auch zugrundegehen. (lächelt verschmitzt)
GI: Seit wann gibt es denn das Labyrinth?
MS: Seit 1984. Es war von Anfang an eine Studentenbuchhandlung mit Schwerpunkt Studienliteratur. Ursprünglich hatte die Universität geplant, einen Campus in 4056 zu bauen, in dessen Nähe die Buchhandlung sein sollte, fast schon eine Art Campus-Buchladen. Stattdessen sind viele Institute weggezogen und vom Campus war nicht mehr die Rede…
GI: Wie sprecht ihr denn Nicht-Studenten an?
MS: Durch neue, relativ hochstehende Literatur, keine ,U-Literatur‘. Wenn es irgend möglich ist: kleine Verlage, Lyrik… Das hat sich auch in den Veranstaltungen widergespiegelt. Wir hatten welche mit Verlagen, einige mit Lyrikern und Autoren, die über Lyrik schreiben. Uns war von Anfang an wichtig, eine hochstehende Belletristik-Abteilung zu haben.
GI: Seit wann arbeitest du hier?
MS: Ich bin seit 1992 dabei. Damals war ich noch Student und hier Kunde. Irgendwann wurde ich dann Angestellter. Bis 1995/96 gab es eine Galerie im hinteren Teil, während der Laden nur vorne war.
Wir haben die Buchhandlung 2015 zu viert als Gesellschafter übernommen. Vorher war es eine Einzelfirma aus drei Personen, von denen zum Schluss nur Thomas Dettwiler übrig geblieben ist.
GI: Warum? Was passierte in den vergangenen Jahren?
MS: 2014 waren wir eigentlich pleite und Thomas Dettwiler hat privat ermöglicht, dass es weitergehen konnte. Er hat das Geschäft die ganze Zeit weiter finanziert, während wir ein halbes Jahr auf Geldsuche bei der Kundschaft gegangen sind. So konnten wir den Laden abkaufen und neu gründen. Letztes Jahr hätten wir auch zumachen müssen, geplant war die Schliessung im März 2019, dann haben wir noch mal einen Spendenaufruf gestartet. Wir haben bis 70.000 gesucht und hätten dafür eigentlich länger suchen müssen, um nicht aus den Reserven zu schöpfen, aber naja…
GI: Wieviele Kunden habt ihr?
MS: Etwa 2 500.
GI: Haben alle gespendet?
MS (lacht): Nein, aber so bis 500 Franken haben schon einige gegeben. Zum Teil waren es kleine Beträge, aber wir waren für jede Unterstützung dankbar. Und es sind viele gekommen, die ich jahrelang nicht mehr gesehen hatte. Die bz Basel hat auch einen Aufruf gestartet, und viele haben zusätlich privat Spendenaufrufe initiiert: im Spital, an der Uni…
Man hat uns eigentlich nicht vergessen, aber auch jetzt ist es schon wieder ein Phänomen, dass man trotzdem (wieder) nicht kommt.
GI: Wie erklärst du dir das?
MS: Amazon.
Und noch etwas: Der Basler kommt nicht. „Der Basler geht zu Bider und Tanner.“
GI: Das verstehe ich nicht…
MS: Ist einfach so. Mentalitätssache, es ist so gespurt. Jeder Schüler weiss das. Wir hatten hier schon Schulklassen drin und die Schüler haben gefragt: „Kann man hier auch Bücher bestellen?“ Und natürlich können wir hier auch alles bestellen, was man bei Amazon und bei Bider und Tanner bestellt.
GI: Was ist denn aus den Veranstaltungen geworden? Ich finde auf der Website kaum noch welche.
MS: Die mussten wir dieses Jahr, eben aus finanziellen Gründen, leider deutlich reduzieren. Im Moment ist Konsolidierungsphase bis wir von Rot auf Schwarz wechseln.
Zuletzt gab es einen Fontane-Abend mit Christoph Wegmann: Der Bilderfex. Im imaginären Museum Theodor Fontanes. Ein tolles Buch! Darin hat er das ganze Fontane-Werk auf Bilder hin untersucht.
GI: Welche Art von Veranstaltungen gab es denn im Laufe der Zeit?
MS: Den Salon – den wollen wir beibehalten. Die Kernidee ist das Sprechen über Bücher, wichtige, manchmal beinah vergessene Literatur wieder hervorzuholen. Zwei geladene Gäste schildern im Gespräch ihre Leseeindrücke und die Bedeutung des Buchs in ihrem Lese- und Schreibleben. Das Publikum stellt Fragen und diskutiert später bei einem Apéro mit. Es sind meist etwa 20 Menschen. Geplant war es alle zwei Monate, aber durch den Bruch 2018 konnten wir den Salon dieses Jahr noch nicht machen.
Es gibt auch Das Wissenschaftliche Buch, das wollen wir auch beibehalten. Das sind die Professoren hier von der Uni. Die Bücher werden vorgestellt, es gibt meistens jemand, der moderiert – keine Wasserglas-Lesungen eben! Das macht sonst keiner in Basel.
Und alles Andere machen alle anderen schon.
GI: Hast du einen Lieblingsverlag?
MS: Matthes und Seitz. Und Diaphanes.
GI: Lieblingsbuch? Ich weiss, eine unmögliche Frage!
MS: Es gibt laufend Lieblingsbücher. Was mich zuletzt sehr inspiriert hat, war tatsächlich Christoph Wegmanns „Der Bilderfex.“ Auch weil ich so studiert habe: meistens gingen Dichtung und Bildende Kunst Hand in Hand.
GI: Angenommen, morgen könnte ein Wunder passieren: Wenn du dir etwas wünschen könntest, was wäre es?
MS: Dass wir aus eigener Kraft diese Hürde schaffen. Früher ist es einfach gelaufen: die Bücher, die Titel und unser Sortiment waren eine Anziehungskraft. Man musste die Bücher nur hinstellen und die Leute kamen. Das ist heute definitiv nicht mehr so.
Das wünsche ich mir: dass sie kommen wegen der Bücher! Es gibt auch einen Webshop, in dem alles erhältlich ist.
Die Qualität unserer Titel und was publiziert wird, ist konstant hoch, das ist das Schöne. Es gibt immer noch grossartige Verlage, noch nicht alle sind unter einem Mammut untergegangen oder von einem Hai aufgekauft worden.
GI: Dann wünsche ich euch das und danke dir für das Gespräch.